Wir berichteten bereits vom im November 2015 vorgelegten Entwurf zur Reform der Arbeitnehmerüberlassung. Teils ist geplant, Neuregelungen in das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) aufzunehmen.
Daneben soll das BGB einen neuen § 611a bekommen, mit dem zwischen „ordnungsgemäßem und missbräuchlichem Fremdpersonaleinsatz“ abzugrenzen versucht werden soll.
Der Entwurf wurde vehement kritisiert – bemerkenswerterweise von der Wirtschaft und den Gewerkschaften. Scharfe Kritik kam zudem aus der Wissenschaft. Nachdem die Bundeskanzlerin erklärt hatte
mit dem Konzept nicht einverstanden zu sein, hat Andrea Nahles „nachgebessert“:
- In dem ersten Entwurf wurde die Arbeitnehmerüberlassung auf 18 Monate beschränkt (Höchstüberlassungsdauer). Entleiher sollten davon nur abweichen können, wenn sie tarifgebunden sind. Der zweite Entwurf gestattet darüber hinaus Abweichungen für nichttarifgebundene Unternehmen, wenn sie tarifvertragliche Regelungen zur Höchstüberlassungsdauer mit gleichem Inhalt in eine Betriebsvereinbarung übernehmen. Auch sofern der Tarifvertrag eine sog. Öffnungsklausel enthält, können nichttarifgebundene Entleiher die Höchstdauer der Überlassung in einer Betriebsvereinbarung festschreiben, allerdings nicht über 24 Monate hinaus.
- Der erste Entwurf sah vor, dass Leiharbeitnehmer spätestens nach neun Monaten hinsichtlich des Arbeitsentgelts pari mit der Stammbelegschaft sein müssen („Equal pay“). Dies sollte bis zum Ablauf von zwölf Monaten hinausgeschoben werden können, wenn durch einen (Branchen-)Zuschlagstarifvertrag gewährleistet ist, dass das „Equal pay“ stufenweise durch eben solche Branchenzuschläge erreicht wird. Mit dem zweiten Entwurf soll den Verwendern von (Branchen-)Zuschlagstarifverträgen die Möglichkeit eröffnet werden, vom „Equal-pay-Grundsatz“ bis zu 15 Monaten abzuweichen.
- Geplant ist – nach wie vor – einen neuen § 611a in das BGB einzufügen. Dessen Absatz 1 soll den Arbeitsvertrag definieren – bemerkenswerterweise nicht das Arbeitsverhältnis. Der erste Gesetzesentwurf sah als § 611a Abs. 2 BGB-E einen Kriterienkatalog vor, der durch eine „wertende Gesamtbetrachtung“ ermöglichen sollte festzustellen, wer ein Arbeitnehmer ist, weil er in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist und Weisungen unterliegt. Die Kritik hieran war – gerade auch aus der arbeitsrechtlichen Literatur – verheerend. Die acht – nicht abschließenden – genannten Kriterien überschneiden sich teilweise, wenn nach § 611a Abs. 2 e. BGB-E entscheidend sein soll(te), ob jemand ausschließlich oder überwiegend für einen anderen tätig ist (dann Arbeitnehmer) und nach § 611a Abs. 2 f. BGB-E Arbeitnehmer ist, wer keine eigene betriebliche Organisation unterhält, um die geschuldete Leistung zu erbringen. § 611a Abs. 2 b. BGB-E wertet es für die Arbeitnehmereigenschaft, wenn jemand die geschuldete Leistung überwiegend in Räumen eines anderen erbringt. Dieses Kriterium kann sich mit § 611a Abs. 2 f. BGB-E überschneiden. Mit § 611a Abs. 2 b. BGB-E glaubte man, der Problematik der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung in Gestalt von (Schein-)Werkverträgen begegnen zu können, weil sich mit dem genannten Kriterium Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag abgrenzen lassen. Nun ist es aber die Lebenswirklichkeit und rechtlich unerheblich, wenn eine (Werk-)Leistung in den Räumen des Auftraggebers erbracht wird. Aus dem zweiten Gesetzesentwurf wurde der Kriterienkatalog herausgestrichen. Stattdessen soll nun die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Arbeitnehmerbegriff gesetzlich fixiert werden.
Bei den zeitlichen Erweiterungen der Höchstüberlassungsdauer und der Angleichung an „Equal pay“ können Arbeitgeber ein Zugeständnis an ihre Seite sehen; man täte den Verfassern des zweiten
Entwurfs aber Unrecht, dieses als „großen Schritt“ zu bezeichnen. Dass mit dem neuen § 611a BGB rechtlich nichts dazugewonnen wird, liegt auf der Hand. Man wird sich im Gegenteil aller
Voraussicht nach damit abfinden müssen, dass unserem wohldurchdachten Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 jedenfalls kosmetisches, wenn nicht systematisches Unrecht getan wird.