Wenn der erkrankte Arbeitnehmer mit dem Dienstwagen fährt …

ist die Empörung beim Arbeitgeber häufig groß. Der Arbeitgeber möchte in dem Fall meistens das Fahrzeug herausverlangen, weil der Arbeitgeber auf Grund seiner Arbeitsunfähigkeit damit gar nicht „dienstlich unterwegs“ sein kann. Um hier nicht – unnötig – aneinander zu geraten, empfehlen sich klare Vereinbarungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien. Der Umfang der Nutzung des Wagens – rein dienstlich oder auch privat – sollte geregelt werden. Dies kann im Arbeitsvertrag, einem gesonderten Kfz-Überlassungsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geschehen.


Grundsätzlich darf ein Mitarbeiter den Dienstwagen nicht privat nutzen, wenn das vertraglich nicht ausdrücklich erlaubt ist. Allerdings kann die private Nutzungsmöglichkeit konkludent gestattet sein, so z. B., wenn der Mitarbeiter das Fahrzeug auch am Wochenende mit nach Hause nehmen und ohne dienstlichen Bezug nutzen kann und der Arbeitgeber dafür nichts in Rechnung stellt.  


Die private Nutzung(smöglichkeit), für die der Arbeitgeber keine Gegenleistung erhält, stellt für den Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil dar (in Form eines Sachbezugs). Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich dabei um einen Vergütungsbestandteil – mit den sogleich darzulegenden rechtlichen Folgen.


Wenn der Arbeitnehmer das Fahrzeug nur dienstlich nutzen darf, kann der Arbeitgeber es jederzeit herausverlangen. Bei der privaten Nutzungsmöglichkeit, die eben Teil der Vergütung ist, ist das nicht ohne weiteres möglich. Der Arbeitnehmer darf den Dienstwagen in bestimmten Fällen auch dann behalten, wenn er temporär keine Arbeitsleistung erbringt – der Arbeitgeber aber gleichwohl verpflichtet ist, das Arbeitsentgelt zu bezahlen. Das ist etwa während des Urlaubs oder eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots der Fall.

 

Während der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist, muss ihm der Arbeitgeber den Dienstwagen bis zum Ende der Entgeltfortzahlungsfrist des § 3 Abs. 1 EFZG (Dauer von sechs Wochen) belassen. Ist der Mitarbeiter länger als 42 Tage arbeitsunfähig erkrankt, endet die Entgeltfortzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers mit der Folge, dass das Dienstfahrzeug herauszugeben ist. Das gilt wiederum nicht, wenn die Parteien etwas anderes vereinbart haben. Achtung für den Arbeitgeber: Auch in dem Fall, dass kein Anspruch auf Überlassung mehr besteht, sollte eine Ankündigungsfrist für die Rückgabe gewahrt werden. Das sofortige Herausgabeverlangen des Arbeitgebers kann unverhältnismäßig sein. Falls dies so ist, stehen dem Arbeitnehmer Schadensersatzansprüche zu, weil er sich nicht rechtzeitig darauf einstellen konnte, das Kfz nicht mehr nutzen zu können. Was in diesem Zusammenhang eine angemessene Herausgabefrist ist, ist – soweit ersichtlich – nicht abschließend entschieden.
Die (auch konkludente) Zusage der Privatnutzung kann nicht einseitig widerrufen, sondern nur durch Änderungskündigung oder Änderungsvereinbarung beseitigt werden.


Was vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten angeht: Es ist grundsätzlich zulässig, einen Widerrufsvorbehalt zu vereinbaren. Ein solcher unterliegt aber – wie auch ansonsten im Arbeitsrecht – dem AGB-Recht. Die Widerrufsgründe müssen im Vertrag selbst angegeben und sachlich gerechtfertigt sein (ein allgemeiner Widerrufsvorbehalt genügt keinesfalls). Anders gesagt muss der Mitarbeiter wissen (können), in welchen Fällen der Arbeitgeber berechtigt ist, die private Nutzungsmöglichkeit zu widerrufen, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BAG, Urteil vom 13.04.2010 – 9 AZR 113/09). Auch dann, wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, scheitert ein Widerrufsvorbehalt an der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, wenn der geldwerte Vorteil mehr als 25% des Gesamtverdienstes ausmacht.


Auf einer zweiten Stufe ist bei einem – an sich rechtswirksamen – Widerrufsvorbehalt zu prüfen, ob dieser auch billigem Ermessen entsprechend ausgeübt wurde, § 315 Abs. 1 BGB. Hierbei kann es u. U. eine Rolle spielen, in welchem Umfang der Mitarbeiter das Kfz privat nutzt u. ä. Auch in diesem Zusammenhang ist dem Arbeitgeber zu raten, eine – realistische – Frist zur Herausgabe zu nennen, damit sich der Arbeitnehmer darauf einstellen kann, den Dienstwagen nicht mehr privat nutzen zu können.


Fordert der Arbeitgeber den Mitarbeiter arbeitsrechtswidrig auf, den Dienstwagen herauszugeben, können diesem – wie gesagt – Schadensersatzansprüche zustehen. Das gilt insbesondere für Ansprüche auf Nutzungsausfallentschädigung. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung geht davon aus, dass sich die Schadenshöhe auf der Grundlage der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit mit monatlich 1% des Listenpreises des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung errechnet (BAG, a. a. O.).

 

Wir beraten Sie gerne zu den Gestaltungsmöglichkeiten, die bei der Überlassung eines Dienstwagens  bestehen. Insbesondere ist  bei der Formulierung von – grundsätzlich sinnvollen – Widerrufsvorbehalten besondere Sorgfalt anzuwenden.