Wann muss man gehen? Zum nächstmöglichen Zeitpunkt!

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wird häufig zum „nächstmöglichen Zeitpunkt“ oder zum „nächstzulässigen Termin“ ausgesprochen. Angesichts dessen, dass ein Arbeitsverhältnis grundsätzlich außerordentlich fristlos und ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt werden sowie sich letztere nach dem Gesetz, dem Arbeitsvertrag oder einem Tarifvertrag bestimmen kann, ist zunächst auf Grund der Formulierung nicht klar, wann man sich „nächstmöglich“ trennt.


Vorab ist zu unterscheiden, ob das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos und „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ ordentlich (erste Variante) oder „nur“ ordentlich (zweite Variante) gekündigt wird.


Zur ersten Variante: Dieser Weg ist grundsätzlich – unabhängig davon, ob der Beendigungszeitpunkt mit Datum genannt wird oder nicht, dazu sogleich – zulässig.  Eine „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ erklärte Kündigung steht unter der auflösenden Rechtsbedingung i. S. v. § 158 Abs. 2 BGB, dass das Arbeitsverhältnis nicht bereits aus einem anderen Grund – eben der außerordentlichen fristlosen Kündigung – endet (vgl. BAG, Urteil vom 10.04.2014 – 2 AZR 647/13). Ist die außerordentlich fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1, Abs. 2 BGB rechtswirksam, wird die ordentliche Kündigung obsolet. Für diese erste Variante hat das BAG erst zu Beginn des Jahres (Urteil vom 20.01.2016 – 6 AZR 782/14) klargestellt, dass die hilfsweise ordentlich erklärte Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt nicht deshalb  unwirksam ist, weil es ihr an einer hinreichenden Bestimmtheit fehlt. Der von der – im  Entscheidungsfall – beklagten Arbeitgeberin angestrebte Beendigungszeitpunkt ergebe sich aus der vorrangig erklärten außerordentlichen Kündigung. (anders die Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urteil vom 28.08.2014 – 5 Sa 1251/13)


Wenn das Arbeitsverhältnis „nur“ ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt wird, gelten nach der Rechtsprechung bestimmte – insgesamt großzügige – Voraussetzungen, unter denen eine solche Kündigung rechtswirksam ist. Es sind allerdings nicht alle Fälle geklärt:


Generell gilt, dass eine Kündigung bestimmt und unmissverständlich erklärt werden muss (BAG, Urteil vom 20.06.2013 – 6 AZR 805/11). Der Kündigungsadressat muss wissen (können), wann die rechtliche Beziehung zu seinem Vertragspartner endet. Es soll dafür aber nicht notwendig sein, dass kalendarische Datum der Beendigung anzugeben. Eine Kündigung zum „nächstzulässigen Termin“ oder „nächstmöglichen Zeitpunkt“ ist nach Ansicht des BAG typischerweise dahin zu verstehen, dass der Kündigende das Arbeitsverhältnis zu dem Zeitpunkt beenden will, der sich bei Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und/oder vertraglichen Regelungen als frühestmöglicher Auflösungstermin errechnet.(Achtung: Bei einer Kündigung in der Insolvenz gelten Besonderheiten) Für den Kündigungsempfänger genügt dies i. S. d. von der Rechtsprechung geforderten hinreichenden Bestimmtheit, wenn er die Dauer der Kündigungsfrist kennt oder ermitteln kann, ohne dass das für ihn mit allzu großen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten verbunden ist (vgl. BAG, Urteil vom 10.04.2014 – 2 AZR 647/13).


Es ist „keine Schwierigkeit“ in diesem Sinn, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Tarifverträge, auf die im Arbeitsvertrag Bezug genommen ist, nicht ausgehändigt hat. Es genügt, wenn der Arbeitnehmer den Inhalt dieser Tarifverträge woanders in Erfahrung bringen kann.


Da sich die gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 Abs. 1, Abs. 2 BGB danach richten, wie lange der Arbeitnehmer schon im Betrieb beschäftigt ist, stellt sich die Frage, ob dieser die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit kennen muss. Das ist grundsätzlich der Fall. Ausnahmsweise kann dies anders sein – etwa wenn schwierige tatsächliche oder rechtliche Fragen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang zu klären sind. Hier ist beispielsweise eine „Grauzone“ eröffnet, ab wann von „Schwierigkeiten“ bei der Ermittlung der zutreffenden Kündigungsfrist die Rede sein kann.


Eine Kündigungserklärung ist außerdem auch dann nicht (mehr) hinreichend bestimmt, wenn neben dem „nächstmöglichen Zeitpunkt“ verschiedene Termine  für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden. (Mit der Frage, welche Rechtsfolgen es hat, wenn der Kündigende  im Kündigungsschreiben eine falsche Kündigungsfrist nennt, werden wir uns gesondert beschäftigen.)


Das BAG hat jüngst (Urteil vom 20.01.2016 – 6 AZR 782/14) nochmals verdeutlicht, dass die Kündigung als einseitige Willenserklärung nicht der AGB-rechtlichen Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unterliegt.


Fazit: Wessen Arbeitsverhältnis zum „nächstmöglichen Zeitpunkt“ gekündigt wird, hat sich selbst im Rahmen zumutbarer Anstrengungen kundig zu machen, welche gesetzliche , vertragliche oder tarifvertragliche Kündigungsfrist läuft (Stichwort: „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung“. Dies gilt hier eben auch für den Blick in den Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag).

 

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