Die Bahnfahrt in der 1. Klasse und der anschließende Streit, wer den „Antrittsbesuch“ bezahlt

Ein Arbeitsverhältnis beginnt in aller Regel erst dann, wenn die Parteien zuvor ein – erfolgreiches – Vorstellungsgespräch geführt haben. Da die Wege zu einem solchen „Antrittsbesuch“ nicht nur einmal durch die ganze Stadt, sondern vor allem nicht selten über die Stadtgrenze führen können, fragt sich welche Seite die Reisekosten (v. a. Fahrtkosten, ggf. Übernachtungs- und Verpflegungskosten) trägt.


Ein kleiner Beispielsfall: Ein Buchalter aus München bewirbt sich auf die Stellenanzeige eines potenziellen Arbeitgebers in Köln. Das Kölner Unternehmen lädt daraufhin zu einem „unverbindlichen Vorstellungsgespräch“ ein. Der Münchner Bewerber ist euphorisiert über das prompte Interesse und fährt mit dem ICE in der 1. Klasse nach Köln. Zwischenzeitlich entfernt er sich von seinem gebuchten Sitzplatz und sucht das „Bordrestaurant“ auf, in dem er ein Essen und verschiedene Getränke konsumiert. Anschließend streiten der Bewerber und das Unternehmen (das womöglich sogar ein Angebot unterbreitet hat) darüber, wer die Zugfahrt sowie die kulinarische Ergänzung bezahlen muss.
Grundsätzlich gilt: „Fordert“ ein Arbeitgeber einen Bewerber (oder auch Nichtbewerber) auf, sich bei ihm vorzustellen, so hat er diesem unabhängig davon, ob man später ein Arbeitsverhältnis begründet oder nicht, die Auslagen zu ersetzen, die der Bewerber für erforderlich halten durfte, §§ 670, 662 BGB. Aus dem Gesagten folgt im Umkehrschluss, dass derjenige, der sich unaufgefordert vorstellt, keinen Kostenersatzanspruch hat.


Ist der einladende potenzielle Arbeitgeber nicht bereit, die Reisekosten zu übernehmen, muss er dies vor dem Vorstellungsgespräch unmissverständlich erklären. Die im oben genannten Beispielsfall gewählte Formulierung „unverbindliches Vorstellungsgespräch“ genügt dem nicht. Anders formuliert ist Vorstellungsgesprächen immanent, dass sie ergebnisoffen und somit „unverbindlich“ sind. Sofern der Arbeitgeber die Kosten übernehmen muss – wie im Beispielsfall – geht es natürlich darum, wie teuer eine „Anreise“ sein darf. Der Bewerber darf hier (mit)entscheiden;  er hat allerdings die Interessen des einladenden Unternehmens, die konkreten Aufwendungen und die (Relation zu der) Bedeutung der avisierten Stelle zu berücksichtigen. Bei einer exponierten Stellung kommt also tatsächlich die Erstattung der Zugkosten 1. Klasse oder von Flugkosten in Betracht. Unser oben „erfundene“ Buchhalter wird seinen Kostenerstattungsanspruch jedoch auf die Aufwendungen für eine Zugfahrt 2. Klasse beschränken müssen. Für Verpflegungskosten gilt entsprechendes: Der Arbeitnehmer muss seine Ausgaben im Rahmen dessen halten, was anhand eines objektiven Maßstabs, allerdings ergänzt um eine subjektive Komponente, erforderlich ist. Dass es hier keine trennscharfe Linie gibt, liegt in der Natur der Sache.


Zur Verjährung des Erstattungsanspruchs: Hier gilt § 195 BGB und somit die dreijährige Verjährungsfrist. Schließen die Parteien des Arbeitsvertrages im Rechtsstreit (Kündigungsschutzprozess) einen Vergleich, der eine Abgeltungsklausel vorsieht, dann erfasst eben diese Erledigungsklausel auch die – noch offenen – Kosten eines Vorstellungsgesprächs, es sei denn, es wird explizit etwas anderes vereinbart oder ergibt sich aus den Umständen (vgl. LAG Nürnberg 29.09.2003, NZA – RR 2004, 290).


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